Papier, Tinte, Federn & Co.
Als Musiker haben wir uns natürlich zunächst gefragt wie kommen die Noten auf das Papier, also mit welchem "Stift" schrieb man damals? Dann ging uns auf, dass die technische Grundlage dieser Handschriften doch das Papier ist! Ohne Papier keine Handschriften und auch heute kämen wir nicht ohne aus.
Was besonders auffiel war die unterschiedliche Qualität des Papiers, die man sehen und spüren konnte. Alte Schriften oder Bücher mal in die Hand nehmen zu können ist also nicht nur etwas, was man in Hinsicht auf den Inhalt machen sollte, sondern auch auf deren Herstellung. Es ist wirklich etwas ganz besonderes und man muss es mit Sorgfalt tun.
Bei den Dahlhoff-Handschriften finden sich sehr unterschiedliche Formate mit sehr unterschiedlichem Papier. Aus besonders schönem Papier sind alle Rechenbücher (auch die kleinen Hefte), das große Notenheft von 1759 und die "Schlüsselblume". In diesen Papieren konnten wir z.T. auch Wasserzeichen ausmachen. Die Qualität der anderen Papiere variiert sehr stark. Manches ist sehr weich und hat fast die Konsistenz von Löschpapier, anderes ist dünn und bereits vergilbt, bei wieder anderem schlägt die Tinte stark durch usw.
Wie also kamen wir zum Papier hier in Europa?
Die Geschichte des Papiers ist lang und der Ursprung liegt im Verborgenen. Nach Europa kam das Papier über Arabien. Das erste Papiermacherprivileg wurde 1102 auf Sizilien erteilt. Die erste deutsche Papiermühle gründete Ulman Stromer 1390 in Nürnberg und von da an werden es nach und nach immer mehr Papiermühlen.
'Papiermühle' ist wörtlich zu nehmen, denn zur Herstellung wurde Wasserkraft gebraucht um aus Kleiderlumpen Papierbrei herzustellen. Dazu mussten die Lumpen oder Hadern gereinigt, zerkleinert, angefault und klein gestampft werden ehe der eigentliche Papierbrei entstehen konnte. Diese Arbeiten wurden je nach Papiermühle in etwas unterschiedlicher Reihenfolge gemacht. Das Zerkleinern, Sortieren und Reinigen der Lumpen war meist Frauen- oder Kinderarbeit, mit entsprechenden Krankheitsfolgen: die getragene Kleidung - Hadern - konnte Krankheitserreger übertragen. (Milzbrand galt als "Hadernkrankheit"). Lumpenwaschmaschinen kamen erst Mitte des 18. Jahrhunderts auf. Trotz weiterer technischer Innovationen blieb es noch weitgehend bei Handarbeit bis Ende des 18. Jahrhunderts.
Aus den zerkleinerten Lumpen wurde der Papierbrei hergestellt. Im Rechenkasten bekam der Faserbrei, das Zeug, eine gleichmäßige Konsistenz. Damit war der Rohstoff aufbereitet, erst jetzt konnte man an das Papiermachen gehen!
Aus dem Papierbrei wurden mit Hilfe von Schöpfsieben einzelne Blätter hergestellt, eine Arbeit, die viel Fingerspitzengefühl erforderte, da nicht zu viel oder zu wenig von dem Faserbrei auf dem Sieb aufgebracht werden durfte. Auf den Sieben waren die Zeichen der jeweiligen Papiermühle angebracht, die sich im erzeugten Papierbogen abbildeten - die Wasserzeichen. Von dem Sieb kam das frische Papier auf eine Filzmatte. Darauf dann ein weiteres Blatt, ein weiterer Filz, bis ein ganzer Stapel entstanden war. Diese Stapel kamen in eine Presse, in der das Wasser herausgepresst wurde. Drei Männer teilten sich diese Arbeit: das Schöpfen, Gautschen und Legen. Sie alle drei mussten auch gemeinsam die Presse bedienen. Danach wurden die Blätter vom Filz gehoben und zum Trocknen aufgehängt. Die Papiermühlen hatten daher oft ein hochgezogenes Dach mit einem luftigen Dachboden, unter dem die Papiere auf Leinen aufgehängt werden konnten - wie Wäsche.
Nach dem Trocknen wurden die Papiere geleimt, damit die Saugfähigkeit verringert wurde. Der Leim wurde aus Abfällen aus der Lederproduktion oder Tierfüßen und -knochen gekocht. Dem wurde Alaun zugegeben und manche geheimgehaltene Zutat. Danach musste das Papier wieder trocknen. Dem folgte das Glätten der Papiere, das bis ins 19. Jahrhundert oft noch von Hand gemacht wurde.
Saalarbeiterinnen hatten die Aufgabe die Papiere auf Qualität zu kontrollieren. Sie mussten dazu die Bogen ins Licht halten und sie auf Fehler durchsehen. Wenn möglich mussten sie diese mit kleinen Messern beiarbeiten. Die Sortierung erfolgte in in verschiedene Sorten Papiere, die anschließend gezählt wurden und zu "Büchern" gelegt wurden. Je 25 Bogen für Druckpapier oder 24 Bogen für Schreibpapier.
"Vor dem Verpacken wurde das Papier noch erneut gepreßt, an den Seiten mit einer Reibe oder Feile glatt geraspelt und zusammengebunden. 20 Buch ergaben ein Ries, und 10 Ries ergaben einen Ballen. Bei längerem und insbesondere Schiffstransport wurde das Papier in Fässer verpackt." (S.98 Bayerl, Pichol)
Papier war also ein sehr aufwendig hergestelltes und damit entsprechend wertvolles Produkt.
Quelle: Bayerl, Günter / Pichol, Karl: Papier : Produkt aus Lumpen, Holz u. Wasser. Rowohlt, Reinbek b. Hamburg 1986