Sesken, Sesjen, Sesgen...

In den Dahlhoffschen Geigennoten (Tanzsammlung Dahlhoff) gibt es eine ganze Reihe Stücke mit dem Titel Sesken. Es ist bisher nicht gelungen, einheitliche musikalische Kriterien bei diesen Stücken zu finden. Weder Rhythmus noch Taktart oder -anzahl sind eindeutig, darum scheint eine Einteilung in eine musikalische Gattung unmöglich.
Darum zog ich etwas anderes in Betracht, nämlich einen Tanz mit 6 Tänzern oder 6 Paaren. Analog zu Tänzen wie dem bei Playford überlieferten Black Nag, der mit 3 Paaren getanzt wird.

Ein Sesken (I, 90 = VIII, 119b) bei Dahlhoff hat den merkwürdigen Beinamen 'Schwinsluhnis', die Melodie erinnert an das Lied 'Adeste fidelis' des Engländers John Wade (1711 - 86). (Wade kopierte Noten, daher ist es unsicher ob er der Autor des Liedes ist, zumindest wurde es in der Folge sehr bekannt).
Zum Wort 'Schwinsluhnis' schrieb mir Dr. Markus Denkler von der Kommission für Mundart- und Namensforschung Westfalens, Münster, im Januar 2018: "... ob es nicht auch 'Schwinslahen Sesken' heißen könnte. Dann könnte es ein „geschwindgeschlagenes“ Sesken sein...". Danke für die mögliche Erklärung!
Als 'Schwinflusen Sesken' hat es auf jeden Fall schon den Eingang in die Folkszene gefunden - als Schottisch...

Gottfried Taubert schrieb 1717 das Buch 'Rechtschaffener Tanzmeister, oder gründliche Erklärung der Frantzösischen Tantz-Kunst, ... Leipzig, bey Friedrich Lanckischen Erben'. In Buch 1, Kapitel VII, Seite 52 schreibt er zum Sesken: "Ingleichen die Engelländischen Sesjen und Contre-Tänze, als deren Figuren und Touren entweder aus einer Rundung, oder auch, und zwar bey den meisten, aus zwey langen Reihen bestehen“.

Ein weiteres Buch schrieb Christoph Gottlieb Hänsel "Allerneueste Anweisung zur Aeusserlichen Moral, Worinnen im Anhange die so genannten Pfuscher entdecket, Und überhaupt der Misbrauch der edlen Tanzkunst einem ieden vor Augen gelegen wird. Leipzig, Auf Kosten des Autoris, 1755". In Kapitel XII, Seite 169 schreibt er: „Die englischen Tänze werden gemeiniglich die englischen Sesjen oder Contre Tänze genennet“.

Weitere Noten von Sesgen sind in Dreyssers Dantz Büchlein, von 1720. Das Digitalisat findet man in der BSB.

Diese drei Hinweise bekam ich von Christian Griesbeck, der sich mit der historischen Tanzkunst beschäftigt. Vielen Dank!

In alten musikalischen Lexika findet sich ebenfalls der Hinweis, dass es sich bei Sesken um englische Tänze handelt. Das eine nahm ich zufällig in der Folkwangbibliothek in Essen in die Hand:

"Fotomechanischer Neudruck der Originalausgabe 1749" herausgegeben vom "Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 1975". Das Original wie auch zwei weitere in diesem Zusammenhang interessante Lexika stehen im Bestand der Bayerischen StaatsBibliothek und sind dort digitalisiert einsehbar. Die Links zu den Digitalisaten gebe ich jeweils an.

 

In der neuen Auflage Kurzgefaßtes Musicalisches Lexicon von 1749 heißt es auf Seite 348 "Sesjen, ein Englischer Tantz". Dieses Lexikon bezieht sich auf das ältere von Walther, aber dieses kleinere soll auch den Anfängern dienen, schreibt Barnickel in Chemnitz am 1. May 1737.
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"Musicalisches Lexicon Oder Musicalische Bibliothec: Darinnen nicht allein Die Musici, welche so wol in alten als neuern Zeiten, ... durch Theorie und Praxis sich hervor gethan, ... angeführet, Sondern auch Die in Griechischer, Lateinischer, Italiänischer und Frantzösischer Sprache gebräuchliche Musicalische Kunst- oder sonst dahin gehörige Wörter, ... vorgetragen und erkläret, ..." von Johann Gottfried Walther erschien 1732 in Leipzig. Auf Seite 566 steht "sesjen, ein Engländischer Tantz".
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Rudolph Voß schreibt 1869 in Der Tanz und seine Geschichte auf Seite 338 "Englische Tänze, auch Sesjen oder Contretänze genannt, schon im Jahre 1713-17 viel getanzt. S. ferner auf S. 146, 177 u.d. Contretanz b.d. Deutschen." In diesem Buch finden sich auch Hinweise auf andere Tänze, die in den Noten von Dahlhoff stehen.
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Von Barbara Batánovics bekam ich den Hinweis auf Tilden Russell Theory and Practice in Eighteenth-Century Dance: The German-French Connection (2018). Russell vermutet, dass sich Sesken vom englischen sixteen (bzw. französischen seize beides bedeutet sechzehn) ableitet: "Unfortunately Taubert never gives the actual names of German or Polish dances - not even the polonaise (or polonoise); the only dance from these three countries that he does identify by name ist the English „sixteen“ that he knows from Playford." (S.21) In der Fußnote steht dann ausdrücklich: " He refers specifically to Henry Playford, „The Dancing Master“, 13th ed. (London: John Young, 1706). A seize (Taubert: Sesjen) is a country dance for eight couples." (S.37)
bei Google Books